„Die größte Vulkandichte der Erde“


In Indonesien spuckt der Merapi weiter Asche, die Erde bebt – ein Gespräch mit dem Geoforscher Jörn Lauterjung.

Java, Indonesien: Der Vulkan Merapi spuckt Asche und heiße Gase aus Fotoquelle: zeit.de
Java, Indonesien: Der Vulkan Merapi spuckt Asche und heiße Gase aus Fotoquelle: zeit.de

Naturgewalten „Die größte Vulkandichte der Erde“

In Indonesien spuckt der Merapi weiter Asche, die Erde bebt – ein Gespräch mit dem Geoforscher Jörn Lauterjung.

© Sony Saifuddin/AFP/Getty Images

Java, Indonesien: Der Vulkan Merapi spuckt Asche und heiße Gase aus

DIE ZEIT: Eruptionen, Beben, ein Tsunami – in den letzten Tagen haben sich die Naturkatastrophen gehäuft. Was ist unter Indonesien los?

Jörn Lauterjung: Indonesien liegt auf dem Sundagraben. Die indisch-australische Platte schiebt sich hier sechs bis sieben Zentimeter pro Jahr auf die eurasische. Dabei entstehen starke Erdbeben. Dieser Graben ist gleichzeitig auch der Grund für den gesamten Vulkanismus dort.

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ZEIT: Hängen also der Tsunami der vergangenen Woche und der Merapi-Ausbruch zusammen?

Lauterjung: Nein, es ist Zufall, dass beide Ereignisse gleichzeitig passiert sind. Das Epizentrum des Bebens und der Vulkan sind einfach zu weit voneinander entfernt.

ZEIT: Lässt sich ein Ausbruch prognostizieren?

Lauterjung: »Am fünften März bricht der Vulkan aus« – so etwas kann man nicht sagen. Doch drei, vier Tage, bevor er aktiv wird, häufen sich bestimmte seismische Signale. Der Vulkan grummelt, verformt sich, und Gas strömt aus.

ZEIT: Sind die auch eindeutig genug für eine Räumung des Gefahrenbereichs?

Lauterjung: Das Warnsystem am Merapi hat gut funktioniert, und es ist frühzeitig evakuiert worden. Trotzdem sind viele Menschen aus eigener Entscheidung dageblieben.

ZEIT: Ist das Land gefährdeter als andere?

Lauterjung: Die Vulkane sind eine der herausragenden Naturgefahren in Indonesien, das Land hat die größte Vulkandichte der Welt. Fast 130 der 500 von ihnen sind aktiv, 68 gelten als gefährlich. Und der Merapi gilt als einer der aktivsten Vulkane der Welt.

ZEIT: Das Erdobservatorium in Singapur sagt ein verheerendes Beben südlich von Sumatra innerhalb der nächsten 50 Jahre voraus …

Lauterjung: Anfang dieses Jahrzehnts erschütterte eine ganze Reihe starker Erdbeben dieses Gebiet. Vor knapp sechs Jahren bebte der Meeresboden nördlich der Insel, die Folge war der Weihnachts-Tsunami von 2004. Vor der Südküste Sumatras erwartet man schon seit gut 200 Jahren ein stärkeres Beben. Hier hat sich eine sehr hohe Spannung aufgebaut. Entlädt sie sich, wird ein Beben der Magnitude 8 bis 8,5 die Erde erschüttern.

ZEIT: Mit welchen Folgen?

Lauterjung: Ein Tsunami! Vor allem die Millionenstadt Padang auf Sumatra und die kleineren Inseln vor der Küste wären gefährdet. Padang blieben immerhin 30 bis 40 Minuten, um sich auf die eintreffende Welle einzustellen. So viel Zeit hätten die Inselbewohner nicht.

ZEIT: Könnte so ein Tsunami auch andere Länder gefährden?

Lauterjung: In welche Richtung sich die Welle ausbreitet, hängt von der Geometrie des Sundagrabens ab. Die meiste Energie dürfte ins offene Meer in Richtung Südwesten abgestrahlt werden – und erst nach einigen Tausend Kilometern abgeschwächt aufs Festland treffen, etwa in Südafrika, der Antarktis und Australien. Mit einer Katastrophe, wie sie Thailand, Indien und Sri Lanka 2004 erlebt haben, ist nicht zu rechnen.

ZEIT: Wie verlässlich kann man Prognosen für Beben und Tsunamis aufstellen?

Lauterjung: Forscher schauen sich historische Beben und deren Verteilung an. Daraus versuchen sie, Gefährdungseinschätzungen zu entwickeln.

ZEIT: Aber Zeitpunkte nennen sie keine?

Lauterjung: Wir können leider überhaupt nicht voraussagen, wann die Erde bebt und wo.

ZEIT: Wie wappnet sich die Bevölkerung gegen künftige Beben, Tsunamis, Vulkanausbrüche?

Lauterjung: Jeder muss sich bewusst machen, dass er in einer gefährdeten Region wohnt. Es gibt Gefährdungskarten, Evakuierungswege und Sammelpunkte. Die Zeit ist entscheidend. Ein Frühwarnsystem kann zwar helfen, die Zahl der Opfer zu senken – aber komplett abwenden lässt sich die Gefahr dadurch nicht.

Das Gespräch führte Sami Skalli

Originalbericht: zeit.de
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